Christof Otte
Wie sich ein ergonomischer Bürostuhl auch auf die Augen auswirkt
Es ist mittlerweile hinlänglich bekannt, das langes statisches Sitzen Ursache wie auch Unterhalter zahlreicher Beschwerden des Bewegungssystems, insbesondere des Rückens sein kann. Daneben leidet jedoch nicht nur Ihr Bewegungssystems unter der Bewegungsarmut, sondern auch Ihr Stoffwechsel, Ihr Herz-Kreislauf-System, Ihr Atmungssystem, Ihr Verdauungssystem und im Prinzip alle Organe. Weniger bekannt ist die Tatsache, dass auch Ihre Augen unter der bewegungsarmen Monotonie des Sitzens leiden.
Das Gehirn als Zentrale
Es gibt einen unmittelbaren Zusammenhang auf anatomischer wie auch auf funktioneller Ebene zwischen der Motorik Ihres Körpers, der Motorik Ihrer Augen und dem Gleichgewichtsorgan im Innenohr. Insbesondere die Informationen aus den Bewegungsmeldeorganen der Wirbelsäulenmuskulatur spielen eine wichtige Rolle für die Haltungs- und Bewegungsregulierung.
Abb. 1: Rezeptoren, hier in der Skelettmuskulatur, als wichtige Informationsgeber für das zentrale Nervensystem.
Wie jede skelettale Muskulatur besitzen auch die Muskeln der Wirbelsäule und die äußeren Augenmuskeln Meldeorgane, sog. Propriozeptoren. Diese melden unserem zentralen Nervensystem, insbesondere dem Gehirn, Spannungsänderungen im Muskelgewebe und damit Bewegung. Durch die gleichen Nervenstränge laufen auch die motorischen Informationen in andere Richtung, d.h., die Informationen laufen vom zentralen Nervensystem an die Muskeln, sich in einem bestimmten Ausmaß zu bewegen oder eine bestimmte Spannung zu halten. So bewegen wir unsere Gelenke und den Rumpf, so bewegen wir unsere Augen und so erfährt rückwirkend unser zentrales Nervensystem, ob die Bewegungen wie geplant durchgeführt werden oder ob es Korrekturen der Bewegungsausführung bedarf, z.B. weil unvorhergesehene äußere Kräfte dem entgegenwirken.
Information als Bewegungsgrundlage
Die Informationen aus den Bewegungsmuskeln der Augen wie auch die Informationen aus der Wirbelsäulenmuskulatur kommen mit den Informationen aus dem Gleichgewichtsorgan im Hirnstamm, einem evolutionsgeschichtlich alten Teil unseres Gehirns zusammen. Gemeinsam laufen diese Informationen dann zentralwärts in einem Kerngebiet des Zwischenhirns zusammen, dem sog. Thalamus. Hier werden die Informationen gebündelt, gefiltert und dann als vorbearbeitete Daten der Großhirnrinde zugeleitet, wo diese z.B. für bewusste Empfindungen verwendet werden.
Der Thalamus als Informationssammler und Informationsweitergeber benötigt also viele Informationen, um entsprechend das Großhirn zu füttern. Was der Thalamus überhaupt nicht leiden kann, sind qualitativ wie quantitativ mangelnde Informationen. Eine Informationsherabsetzung hat eine abnehmende Funktion des Thalamus zur Folge und wirkt sich negativ auf alle beteiligten Informationsgeber aus. Wenn wir also tagsüber stundenlang in einer monotonen, starren Haltung vor unserem PC sitzen, so bekommt unser zentrales Nervensystem und damit auch der Thalamus weniger Informationen aus unserer Rumpfmuskulatur und, bedingt durch das Starren auf den Monitor, auch weniger Informationen aus unserer Augenmuskulatur.
Störungen der Augenmotorik
Diese Bewegungsarmut und Blickzentriertheit ist nicht natürlich. Aus unserer Evolution heraus bewegen wir uns tagsüber viel und generieren damit entsprechend viele Bewegungsinformationen an unser zentrales Nervensystem. Auch aus den Augenmuskeln kommen durch großmotorische Körperbewegungen und den überwiegenden Aufenthalt in der Natur viel mehr Informationen. Die heutzutage mangelnde Bewegung fährt unser Nervensystem in einen Zustand geringerer Aktionsbereitschaft und das bekommt auch unsere Augenmotorik zu spüren, denn die hängt schlussendlich an den gleichen zentralmotorischen Strukturen. Die Folge: motorische Funktionsstörungen der Augen, an erster Stelle die mangelnde Fähigkeit, Objekte in der Nähe, z.B. Schriften auf einem PC-Monitor oder einem Smartscreen scharf und ohne Anstrengung erkennen und lesen zu können. Unser Nervensystem ist durch eine funktionelle Störung nicht mehr ausreichend in der Lage, die feine Koordination unserer Augenmuskeln zu bewerkstelligen. Dies spüren wir an angestrengten, schmerzhaften, sogar geröteten Augen bis zum vorrübergehenden Erscheinen von Doppelbildern.